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Donnerstag, 22. September 2011

Das ZEIT-MAGAZIN...

... wünscht sich unter dem Titel "Super, Papa", dass sich Väter mehr Zeit für ihre Kinder nehmen.
Und dazu gibt es handfeste Vorschläge und Tipps.
Unter anderem von mir so eine Art von Rezept für eine Kurzgeschichte:
Immer wenn einem keine Gutenachtgeschichte einfallen will, kann man sich vom Kind drei Zutaten wünschen, und schon entwickelt sich, wie von Zauberhand, die Geschichte. Ganz von allein...

Titelillustration R.S. Berner: Karlchengeschichten, C. Hanser Verlag
 „Papa, erzählst du mir noch eine Geschichte?“
„Gut Linus, aber du musst mir helfen. Was soll in der Geschichte denn vorkommen?“
„Ein Bagger , ein Tiger und......... ein Knopf!“
„Ein Knopf?“
„Ja, ein Knopf.“
„Also gut:

........der kleine Tiger lag jetzt schon seit Wochen ganz unten in der Spielzeugkiste.
Zusammen mit drei Wollmäusen, zwei roten Legosteinen und dem alten, blauen Holzauto. Der kleine Tiger war traurig. Zuletzt war er draußen gewesen, als Linus im Sommer mit ihm im Sandkasten gespielt hatte. Und genau dort hatte er auch sein rechtes grünes Auge verloren.
Danach war er ohnmächtig geworden und erst wieder hier im Dunkeln aufgewacht.
Schon einige Male hatte er versucht, sich hoch zu arbeiten. Aber die neuen Tiere über ihm, darunter ein großer Saurier aus Plastik und ein Eisbär waren einfach viel zu schwer.
Jetzt machte er einen neuen Versuch und zog an einer Schnur, die ihn am Kopf kitzelte.
"Au, pass doch auf", rief da jemand, "das ist mein Schwanz!"
"Entschuldigung", sagte der kleine Tiger, "das wusste ich nicht. Wer bist du denn?"
"Ich bin Keto, die Riesenmaus.“
"Hallo,“ sagte der kleine Tiger, "kannst du mir vielleicht hier raus helfen?"
"Aber selbstverständlich, nicht umsonst bin ich auch berühmt als Keto, die Muskel-Maus! Halt dich gut an meinem Schwanz fest - das haben wir gleich geschafft. "
"Danke, liebe Keto", sagte der kleine Tiger, als sie oben angekommen waren.
Es war mitten in der Nacht, und der lachende Stern auf der kleinen Lampe beleuchtete das Bett, in dem Linus schlief. Er schnarchte leise und hielt den schneeweißen Eisbär im Arm.
Der kleine Tiger landete mit einem lauten Plumps auf dem Boden und dachte nach:
"Ich muss mein rechtes Auge wieder finden, dann spielt Linus vielleicht wieder mit mir.“
Er kletterte über die Spielsachen am Boden bis zur offenen Terrassentür und kroch unter dem Rollladen durch.
Draußen war es warm und ganz still. Der kleine Tiger kniff sein linkes Auge zusammen und sah im blauen Mondlicht den Spielzeugbagger Willibald im Sandkasten stehen.
„Hallo, Willi,“ sagte der kleine Tiger, „wie geht es Dir?“
„Ach du bist das, kleiner Tiger“, sagte Willi, „dich habe ich ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Wo hast du denn gesteckt?“
Der kleine Tiger erzählte ihm die ganze traurige Geschichte.
„Kannst du mir vielleicht helfen, mein Auge wieder zu finden?“
„Aber selbstverständlich, nicht umsonst bin ich auch berühmt als Willi, der Wunder-Bagger!
Hol’ das Sandsieb – das haben wir gleich geschafft.“
Willi schaufelte den Sand in das Sieb und der kleine Tiger rüttelte so lange, bis alles durchgesiebt war. Sie fanden eine Haarspange, ein 50-Cent-Stück, eine Murmel und einen Teelöffel.
Der kleine Tiger war sehr müde und wollte schon aufgeben, da glitzerte etwas Grünes im Sand. „Ach, schade“, sagte Willi, „ es ist nur ein grüner Knopf.“
„Aber er ist wunderschön!“, sagte der kleine Tiger. „er ist genauso grün wie mein anderes Auge. Danke, lieber Willi!“
Schnell packten sie alle Fundstücke in die Baggerschaufel, der kleine Tiger setzte sich auf den Fahrersitz und so ging es zurück ins Kinderzimmer, wo sie erschöpft auf dem Teppich einschliefen.
„Was ist denn hier passiert?“, fragte Papa am Morgen, als er Linus aufwecken wollte. „Wo kommt denn der ganze Sand her? Und was tut der Bagger im Kinderzimmer?“
„Nanu“, sagte Linus, „der war doch gestern Abend noch im Sandkasten. Das weiß ich ganz genau. Und da ist ja auch kleiner Tiger! Den suche ich schon so lange!“
„Schau Linus, dem kleinen Tiger fehlt das rechte Auge, hast du das gesehen?“, fragte Papa.
In diesem Moment machte der Bagger ein kleines Geräusch und aus der Schaufel fiel die Haarspange. Das 50-Cent-Stück und die Murmel rollten unter das Bett und der Knopf blieb direkt vor Papas Füßen liegen.
„Na sowas“, sagte Papa und hob den kleinen Tiger und den Knopf auf.
„Papa, kannst du den kleinen Tiger operieren?“
„Aber selbstverständlich, nicht umsonst bin ich auch berühmt als Paul, der Super-Papa!
Hol mal das Nähkörbchen – das haben wir gleich geschafft.“
Der kleine Tiger wurde wieder ein bißchen ohnmächtig, aber als er aufwachte, konnte er mit beiden Augen sehen, wie Linus das Kissen aufschüttelte, bevor er ihn vorsichtig neben sich ins Bett legte.
„Schlaf gut, kleiner Tiger!““

1 Kommentar:

Lazarus hat gesagt…

Super, so einfach ist das also mit den Gutenachtgeschichten. Ich konnte jedenfalls nach dieser tröstlichen Geschichte gleich einschlafen. Liebe Rotraut Susanne, Du bist eine Super-Erzählerin.